IG Metall legt industriepolitische Vorschläge zur OB-Wahl in Würzburg vor

Wenige Wochen vor der Oberbürgermeisterwahl am 4. Mai 2025 hat die IG Metall Würzburg industriepolitische Vorschläge vorgelegt. In einem Schreiben an die OB-Kandidatinnen Judith Roth-Jörg, Claudia Stamm, Eva von Vietinghoff-Scheel und Martin Heilig, fordert die Gewerkschaft eine aktive Rolle der Stadt bei der Sicherung und Entwicklung des Industriestandorts Würzburg.
„Würzburg ist ein starker, aber kein selbstverständlicher Industriestandort“, heißt es in dem Papier. Die vergangenen Jahre seien aus Sicht der IG Metall von einer „industriepolitischen Zurückhaltung“ geprägt gewesen. Die Gewerkschaft fordert deshalb ein Umdenken – mit einer verbindlichen Gesamtstrategie unter dem Titel „Industrie 2035“.
Zentrale Forderungen sind unter anderem: eine langfristige Sicherung von Industrieflächen, bessere Anbindung und Förderung nachhaltiger Technologien, die Verankerung guter Arbeitsbedingungen als Kriterium für öffentliche Förderung, sowie eine engere Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften. Auch ein institutionalisiertes Forum für den „industriepolitischen Dialog“ schlägt die IG Metall vor.
„Unser Ziel ist es, die industrielle Basis in Würzburg nicht nur zu stabilisieren, sondern aktiv zukunftsfähig zu machen“, so Norbert Zirnsak, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Würzburg. Die Vorschläge seien ein offener Beitrag zur Debatte – und eine Einladung an alle Kandidierenden, Industriepolitik wieder stärker auf die kommunalpolitische Agenda zu setzen.
Laut Angaben der Gewerkschaft sind derzeit rund 8.500 Menschen in Würzburg im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt. Der Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung liegt mit 18 Prozent deutlich unter dem bayerischen Landesdurchschnitt von etwa 25 Prozent.
Zirnsak betont: „Eine moderne Industriepolitik kann nur im Miteinander gelingen – von Kommune, Wirtschaft, Wissenschaft und Beschäftigten.“ Man stehe für Gespräche jederzeit bereit.
Bildnachweis: IG Metall Würzburg, Patty Varasano
Der Wortlaut unseres Schreibens – Würzburg, 15. April 2025
Industriepolitische Perspektiven für Würzburg – Vorschläge der IG Metall zur OB-Wahl am 4. Mai 2025
Sehr geehrte Frau Roth-Jörg,
sehr geehrte Frau Stamm,
sehr geehrte Frau von Vietinghoff-Scheel,
sehr geehrter Herr Heilig,
die anstehende Wahl zur Oberbürgermeisterin bzw. zum Oberbürgermeister am 4. Mai 2025 ist für die Stadt Würzburg ein wichtiger politischer Einschnitt. Aus Sicht der IG Metall Würzburg stellt sich dabei eine zentrale Zukunftsfrage: Wie kann die Stadt ihre industrielle Basis sichern und weiterentwickeln, ohne dabei soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte gegeneinander auszuspielen?
Als örtliche IG Metall mit tiefen Wurzeln in den Würzburger Betrieben möchten wir zu dieser Debatte beitragen. Unsere Vorschläge fußen auf intensiven Gesprächen mit Beschäftigten, Betriebsräten und Unternehmen sowie auf langjähriger Erfahrung in der Begleitung von Strukturwandel und Transformation. Mit dieser E-Mail möchten wir Ihnen unsere industriepolitischen Vorschläge vorstellen – als konstruktiven Beitrag zur laufenden Diskussion und als Einladung zum Dialog.
Würzburg ist ein starker, aber kein selbstverständlicher Industriestandort. Die vergangenen Jahre waren, so unsere Einschätzung, eine Phase industriepolitischer Zurückhaltung. Zentrale Entwicklungen in den größeren Industrieunternehmen wurden registriert, aber wenig proaktiv begleitet. Gleichzeitig geraten Gewerbe- und Industrieflächen zunehmend unter Druck, auch durch andere Nutzungsinteressen. Hier fehlt es an einer klaren, langfristigen Perspektive für industrielle Wertschöpfung in der Stadt.
Würzburgs wirtschaftliche Daten zeigen, dass Handlungsbedarf besteht. Laut Agentur für Arbeit waren im Jahr 2023 rund 8.500 Menschen in der Stadt im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt. Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung liegt mit ca. 18 % spürbar unter dem bayerischen Landesdurchschnitt von etwa 25 % (Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik). Unser Ziel ist es, diesen Bereich nicht nur zu stabilisieren, sondern aktiv zukunftsfähig zu machen.
Deshalb schlagen wir vor, die Industriepolitik in Würzburg auf neue Füße zu stellen.
Unsere wichtigsten Eckpunkte lauten:
Gesamtstrategie „Industrie 2035“
Würzburg braucht eine verbindliche Industrieentwicklungsstrategie, die vorhandene Strukturen stärkt und neue Spielräume schafft. Dazu gehören unter anderem die langfristige Sicherung und Entwicklung geeigneter Flächen, eine bessere infrastrukturelle Anbindung und die gezielte Förderung nachhaltiger industrieller Innovation unter der Voraussetzung tarifgebundener guter Arbeit.
Gute Arbeit als Standortvorteil
Wir setzen uns dafür ein, dass Tarifbindung, Mitbestimmung und faire Arbeitsbedingungen als Kriterien für öffentliche Förderung vor Ort anerkannt und verankert werden. Dies stärkt nicht nur Beschäftigte, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität und das Image des Standorts.
Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften
Würzburg verfügt über exzellente Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Ausbildungsstätten. Wir sehen großes Potenzial in einer noch engeren Zusammenarbeit, etwa durch gemeinsame Innovationsprojekte, technologieoffene Netzwerke oder regionale Weiterbildungszentren. Die Wirtschaftsförderung der Stadt muss dabei die Industriepolitik gezielt in den Blick nehmen. Industriearbeit muss dabei an Bedeutung gewinnen.
Industriepolitischer Dialog
Nicht zuletzt schlagen wir vor, dass Industriepolitik als kontinuierlicher Dialogprozess aufgesetzt wird – unter Einbindung aller relevanten Akteure, einschließlich der Betriebsräte der Würzburger Industrie. Die Einrichtung eines institutionalisierten „Industriepolitischen Dialog“ ist der geeignete Rahmen.
Wir sind überzeugt, dass eine moderne Industriepolitik nur im Miteinander von Kommune, Wirtschaft, Wissenschaft und Beschäftigten gelingen kann. Unsere Ideen sind kein abschließendes Konzept, sondern vielmehr ein offener Beitrag zur Diskussion. Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Positionen in Ihre Überlegungen zur Wahl und zu einer möglichen Amtsführung einbeziehen – und stehen jederzeit gerne für vertiefende Gespräche zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Zirnsak
IG Metall Würzburg
Erster Bevollmächtigter